LEBEN WIR, UM DIE ERWARTUNGEN ANDERER ZU ERFÜLLEN!?

Durch meinen Text zum Thema «Lebst du schon oder funktionierst du noch?» und die sehr spannenden Feedbacks dazu, kamen bei mir weitere Gedanken auf, welche ich mit euch teilen möchte. Es sind meine Gedanken und diese möchte ich auch niemanden aufzwingen und somit zum «funktionieren» bringen, vielmehr würde es mich sehr freuen, wenn ich mit diesem Text / Bericht zu eigenen Gedanken anregen könnte.

Welche Erwartungen habe ich eigentlich an meinen Hund, meine soziale Umgebung – mein Umfeld?

Hat mein Hund und meine soziale Umgebung – mein Umfeld auch eine Erwartung an mich?
Diese Gedanken haben mich richtig dazu getrieben diesen Text  zu schreiben, denn ich denke, dass vieles in unserem Leben auf Erwartungen basiert. Nein!?

In unserer Gesellschaft viel beschenkt, hiermit meine ich nicht nur materielle Geschenke, auch ein Lachen zu schenken kann ein grosses Geschenk sein! Aber was passiert mit uns, wenn wir jemanden beschenken!? Ich sage nun einmal ganz klar das beschenken, in welcher Form auch immer, aus purem Egoismus ensteht!

Denn werden wir beschenkt, stehen wir automatisch in der Schuld des Schenkenden. Ob bewusst oder unbewusst, der Schenkende hat sofort eine Erwartung an den Beschenkten. Ich weiss, es gibt nun sehr viele die diesen Text lesen und ganz klar sagen «Das stimmt so nicht!» – das finde ich auch sehr schön, doch hierzu möchte ich ein Beispiel geben, dass mich in meiner Aussage überzeugt!

Ich habe Geburtstag und du kommst vorbei mit einem tollen Geschenk für mich, ich packe es aus, lege es in meinen Schrank und trinke weiter meinen Kaffee! Was Tut dies mit Dir? Kannst du es wirklich einfach so hinnehmen, dass ich mich nicht einmal bedankt habe? Wohl war doch eine Erwartung an mich da, oder!?

Auch wenn wir einem Menschen auf der Strasse oder in unserem Umfeld ein Lachen schenken und wir ein grimmiges Gesicht zurück erhalten, ich würde mal behaupten irgendwelche Gedanken löst dies im Schenkenden aus! War da eine Erwartung!?

Diesen Text schreibe ich einerseits als Menschen, aber vor allem auch als Hundebesitzer,

Hundeerziehungsberater und Natural Dogmanship® Instruktor.

Deshalb möchte ich, nachdem ich euch mit den vorherigen Zeilen beschenkt habe, zum Thema Mensch-Hund kommen.

Wiederum möchte ich beim Zeitpunkt beginnen, als wir uns entscheiden haben einen Hund anzuschaffen. Wir holen somit einen Vierbeiner aus seiner aktuellen Lebenssituation (Welpen, Tierheim, Strassenhunde, Ausland) in unser Leben und ich bin überzeugt dass wir hier bereits die ersten Erwartungen an den Vierbeiner stellen.

Was passiert mit uns Hundebesitzern, wenn wir zum Beispiel einen Hund aus dem Tierheim oder von der Strasse geholt haben und dieser, auch nach langem, noch nicht Stubenrein ist?

Oder wir einen Welpen von seiner Mutter und seinen Wurfgeschwistern holen und dieser bei uns nur schreit? Vielleicht hat alles sogar bestens geklappt doch plötzlich beginnt unser Hund andere Hunde an der Leine zu attackieren.

Dies sind nur einige Beispiele von vielen, welche Momentan in meinem Kopf umher Schwirren.

Haben wir es den nicht anders erwartet von unserem Hund? Haben wir den nicht erwartet, dass er uns mit Dankbarkeit beschenkt? Ja, eigentlich haben wir wohl bereits eine Erwartung, wenn wir uns überlegen einen Hund anzuschaffen. Ein Hund soll uns dazu bewegen in Bewegung zu kommen, unsere Familie mit seiner Anwesenheit bereichern und unser Kuschel- und Streichelbedürfnis befriedigen.

Doch was ich mich nun Frage ist, hat der Hund den auch eine Erwartung an uns? Und wenn ja welche?

Also wenn wir bereits, durch unseren Entscheid einen Hund anzuschaffen, die ersten Erwartungen kreieren, weis dieser ja noch nichts von seinem «Glück». Doch möchte genau dieser Hund wirklich bei uns sein? Ist es für einen Strassenhund wirklich schön in einer Wohnung zu leben? Und, vermisst ein Hund nicht auch seine Familie? Eigentlich dreht sich immer nur alles um uns Menschen!

Wie ich bereits in meinem Text zum Thema «Lebst du schon oder funktionierst du noch?» Geschrieben habe, ist in unserer Kultur und Gesellschaft, ein Leben ohne zu funktionieren nicht wirklich möglich.
Ich denke genauso über das jetzige Thema über welches ich schreibe. Ein Leben ohne Erwartungen ist ebenso wenig möglich. Denn wenn ich mich heute Abend mit bekannten fürs Kino verabrede, habe ich bereits bei ihnen Erwartungen kreiert, dass ich auch kommen werde.

Ich finde es genau deshalb sehr wichtig, dass wir uns auch einmal über die Erwartungen von unserem Hund an uns auseinandersetzen. Mir ist bewusst, dass es sehr viele von euch gibt, welche dies auch tun oder versuchen zu tun, sich bemühen, den Hund zu erziehen und artgerecht (jagdlich) beschäftigen. Doch ich erlebe genau in dieser Hinsicht auch sehr viel, was mich wirklich zum Nachdenken bringt.

Ich erlebe es, dass sich Hundebesizer wirklich tolle Gedanken darüber machen, wie sie ihren Hund beschäftigen und was ihm wirklich Spass machen könnte wenn man seine Veranlagungen berücksichtigt.
Es werden für den Hund tolle Fährten ausgelegt, ihm wird eine spannende Hetzjagd angeboten, oder es werden für ihn herausfordernde Suchaufgaben kreiert an denen er wachsen kann.

Absichtlich habe ich alles sehr schön formuliert geschrieben, denn ich denke es kann auch sehr schön und bereichernd sein für den Vierbeiner.

Bei jedoch genau diesen Aufgaben welche wir uns für unsere Vierbeiner überlegen, erlebe ich auch sehr häufig für mich sehr traurige Momente. Ich möchte eines dieser Beispiele hervorheben und meine Gedanken dazu schreiben. Genauso erlebe ich es jedoch auch in anderen Situationen.

Wir legen für unseren Vierbeiner eine sehr spannende Spur welche über eine Wiese in den Wald führt und er Hindernisse bewältigen darf um am Ende sein Futter zu finden und genüsslich zu essen.
Anschliessend sind wir gespannt und erfreut weil wir eine so tolle Aufgabe für den Vierbeiner kreiert haben.

Wir bereiten uns vor, zeigen dem Hund den Geruch welchen er verfolgen darf und los geht’s!
Doch was passiert nun, unser Hund geht vielleicht in eine komplett andere Richtung oder stopt immer wieder um Markierungen zu setzen. In sehr vielen unter uns löst dies genau jetzt eine enorm grosse Enttäuschung aus. Vielleicht gibt es auch Menschen welche so enttäuscht werden, dass sie für diesen Tag dem Hund das essen verweigern.

Doch wieso?? Ach ja, wir hatten eine genaue Erwartung an unseren Hund! Dies zeigt für mich, es ging in keiner Sekunde darum eine tolle Beschäftigung für den Hund zu kreieren, sondern darum, dass der Hund die Erwartungen von uns Menschen wieder einmal mehr zu erfüllen hat!

Aber vielleicht hatte der Hund genau in diesem Moment eine andere Erwartung!? Ich frage mich immer mehr, hat ein solches Vorgehen wirklich auch etwas mit Empathie seinem Gegenüber zu tun!?

Wir schaffen uns einen Hund an und eigentlich geht es häufig nur darum (wenn vielleicht auch unbewusst!) ihn uns Menschen gegenüber Gefügig und abhängig zu machen. Und wenn dies nicht funktioniert, wirder zum Beispiel mit Futterentzug oder negativen Emotionen unsererseits bestraft.

Gerne möchten wir unsere Hunde ja auch erziehen, doch was heisst Erziehung den eigentlich? Den Hund soweit bringen das er unseren Erwartungen entspricht? Oder doch eher den Hund zu fördern, dass er, so gut wie auch nur möglich, mit unserer Gesellschaft und Kultur zurechtkommt? Ich denke, dass dies ein sehr umstrittenes Thema sein kann doch ich finde es enorm wichtig, dass man sich einmal die Frage stellt, was ist genau mein Ziel in der Erziehung und was unternehme ich dafür – wo stehen die Erwartungen!? Die Erwartungen von wem?

Das schreiben dieses Textes hat in mir viele Gedanken ausgelöst, zu diesem und anderen Themen.
Bestimmt werde ich auch diese Gedanken irgendwann aufs Papier bringen. Doch für heute lasse ich es einmal so stehen.

Es freut mich ausserordentlich, wenn du den Text bis hierhin gelesen hast. Bestimmt wirst auch du dir die Frage stellen: «Leben wir, um die Erwartungen anderer zu erfüllen?»
Warten und Erwarten ist ein Teil unseres Alltags – doch können wir uns wirklich das Recht nehmen zu erwarten?